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Zwang

Unfreiwilliges Singen reicht weit über die Erfahrungen derer hinaus, die in der Familie, Schule, Kirche oder einer sonstigen Gruppe zum Mitmachen sich gezwungen fühlten. In der NS-Zeit wurde das Singen vielfach in beispielloser Weise zweckentfremdet und missbraucht.
Karl Röder (geb. 1912), ein überlebender Häfling der NS-Konzentrationslager-Komplexe in Dachau und Flossenbürg, beschrieb rückblickend (1947) das erzwungene Singen im NS-Konzentrationslager bei seiner zehnjährigen Haft – zur Gehirnwäsche, zur Folter und zur Zwangsarbeit:
"Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich im Lager gesungen habe. Es müssen tausende gewesen sein. Wir sangen, wenn wir zur Arbeit ausrückten, und sangen, wenn wir wieder in das Lager hereinkamen. Wie sangen stundenlang am Appellplatz, um die Schreie der Mißhandelten zu übertönen, sangen aber auch, wenn der Schutzhaftlagerführer Lust dazu hatte, uns singen zu lassen. (...)
Es mußte militärisch-schneidig und vor allem laut gesungen werden. Sie paßten genau auf, daß jeder schrie, so laut er konnte. Nach stundenlangem Singen brachten wir oft keinen Ton mehr heraus. (...)
Daß wir diese Singerei als Strafe betrachteten, wußten sie, deshalb ließen sie uns auch immer beim Strafexerzieren singen. Wir sangen, wenn es begann, und sangen, wenn wir schon total erschöpft waren; auch die Halbtoten, die am Boden lagen, mußten singen. Da es lebensgefährlich war, nicht zu singen, wie sie es wollten, mußten wir auch immer wieder üben. (...)
Jedes dieser Lieder sangen wir unendlich oft, es waren immer dieselben. Niemals habe ich es fertiggebracht, sie einfach mechanisch herunterzusingen. Immer würgten mich Haß und Wut, und ich hatte das Gefühl, zu ersticken. Körperliche Mißhandlung wäre mir lieber gewesen."
Im Umkreis des Bayerischen Waldes befanden sich in der NS-Zeit mehrere Außenlager der NS-Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg, etwa in Oberilzmühle in der Gemeinde Salzweg oder in Plattling.

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